Die wichtigsten Personalentscheidungen für die Führung von Unternehmen werden im Aufsichtsrat getroffen. Dabei geht es in erster Linie um die Bestellung und gegebenenfalls Abberufung von Vorständen, um die Ausgestaltung der Vorstandsverträge und um die Verabschiedung einer Geschäftsordnung für den Vorstand. Der Aufsichtsrat hat regelmäßig zu überprüfen, ob die Zusammensetzung des Vorstands sowie die Performance seiner Mitglieder den Herausforderungen genügen, denen das Unternehmen ausgesetzt ist bzw. künftig ausgesetzt sein wird.
Er hat sich bei der Personalauswahl ausschließlich an den Interessen des Unternehmens zu orientieren. Das setzt voraus, dass es eine klare Strategie für die operative Marschrichtung und die Bedienung seiner Zukunftsmärkte gibt. Die Besetzung der Leitungsebene wird damit auch zu einer Frage des Risikomanagements und hat dadurch nicht nur eine fachliche und inhaltliche Dimension. In diese Entscheidung müssen nämlich auch die Aspekte eines zwischenmenschlichen Miteinanders der Vorstände und das Zusammenspiel mit dem Aufsichtsrat eingehen, aber auch die Kompatibilität mit dem Wertekanon eines Unternehmens.
Mehr Vielfalt gefragt
In vielen Aufsichtsräten, und das gilt selbst für Unternehmen der DAX-Familie, ist eine explizite Human-Resources-Expertise allerdings kaum vertreten. Dies zeigen erneut aktuelle Studien sowohl der Hochschule Ludwigshafen als auch der Beratungsgesellschaft Kienbaum. Auch der Deutsche Corporate Governance Kodex enthält zum Thema HR-Kompetenz innerhalb der Zusammensetzung des Aufsichtsrats keine Regeln. Es gibt zwar bei der Empfehlung D.5 zu Grundsatz 14 eine Aussage, dass zumindest bei größeren Gesellschaften ein Nominierungsausschuss gebildet werden soll. Zu den Kompetenzen, die in ihm vertreten sein sollen, findet sich dort allerdings nichts. Dies erstaunt umso mehr, als es etwa zum Prüfungsausschuss oder zu der Frage, wer als Aufsichtsratsmitglied als „unabhängig“ gelten soll, sehr ausführliche Darlegungen im Kodex gibt. Zum Thema HR-Kompetenz sollte sich die Kodex-Kommission daher dringend einmal Gedanken machen, wenn sich der Pulverdampf ihrer aktuellen Vorschläge zur stärkeren Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsthemen im Rahmen des Kompetenzprofils von Aufsichtsräten verzogen hat.
Es gilt auch weiterhin: Mehr Vielfalt, und das betrifft eben nicht nur das Thema Gender, in den Aufsichtsräten und Beiräten deutscher Unternehmen ist eine dringende und berechtigte Forderung. Es dominieren im Rahmen der Kompetenzfelder der Aufsichtsratsmitglieder Strategie und Steuerung, Branchenkenntnisse, Finanzexpertise, Internationalität und Aufsichtsratserfahrung. Offensichtlich wird bei einer erfolgreichen Führungskraft eine vorhandene HR-Kompetenz quasi automatisch unterstellt. Daher gilt es bei der Zusammenstellung eines Aufsichtsrats kritisch zu hinterfragen, ob nicht auch Personen mit spezifischem HR-Erfahrungshintergrund dem Aufsichtsrat angehören sollten. Die immer kürzer werdende Verweildauer von Vorstandsmitgliedern auf ihrer jeweiligen Position sollte dabei durchaus als ein Warnsignal gesehen werden!