Umfra­gen unter Top-Mana­gern zei­gen regel­mä­ßig, dass sich eine weit über­wie­gen­de Zahl sehr gut vor­stel­len kann, ihre Erfah­run­gen durch eine Tätig­keit als Bei­rat oder Auf­sichts­rat in ein ande­res Unter­neh­men ein­zu­brin­gen. Die Nach­fra­ge nach exter­nen unab­hän­gi­gen Mit­glie­dern in die­sen Gre­mi­en hat auf­grund regu­la­to­ri­scher Vor­ga­ben und/oder der zuneh­men­den Wert­schät­zung durch die Anteils­eig­ner in den ver­gan­ge­nen Jah­ren deut­lich zuge­nom­men. Somit stellt sich für an einer Man­dats­tä­tig­keit inter­es­sier­te Per­so­nen die Fra­ge, wie man eigent­lich Bei­rat oder Auf­sichts­rat wird und wel­che Anfor­de­run­gen für eine pro­fes­sio­nel­le Man­dats­tä­tig­keit erfüllt wer­den müs­sen.

Pro­fes­sio­nel­le Beset­zungs­pro­zes­se noch nicht die Regel

Neben den Unter­neh­men, für die der Gesetz­ge­ber qua Rechts­form bzw. Mit­ar­bei­ter­zahl einen Auf­sichts­rat ver­pflich­tend vor­schreibt, wer­den frei­wil­lig auch in den übri­gen Unter­neh­men ab einer bestimm­ten Grö­ße ver­mehrt Kon­troll- bzw. Auf­sichts­gre­mi­en gebil­det. Die­se frei­wil­li­gen Gre­mi­en unter­lie­gen kei­ner­lei gesetz­li­chen Vor­schrif­ten und sind bezüg­lich ihrer Auf­ga­ben frei gestalt­bar. Bei­rat bzw. Auf­sichts­rat wird man im Nor­mal­fall aller­dings nicht durch eine klas­si­sche Bewer­bung. In der Regel erfolgt eine Anspra­che durch die Gesell­schaf­ter des betref­fen­den Unter­neh­mens, den Vor­sit­zen­den des Bei­rats oder Auf­sichts­rats oder zuneh­mend auch durch einen in die Suche ein­ge­schal­te­ten exter­nen spe­zia­li­sier­ten Bera­ter. 

Aller­dings wird mehr­heit­lich bei der Neu­be­set­zung eines Bei­rats bzw. Auf­sichts­rats immer noch auf Per­so­nen aus dem eige­nen per­sön­li­chen Netz­werk der Gesell­schaf­ter oder ande­rer Gre­mi­en­mit­glie­der zurück­ge­grif­fen. Offen­sicht­lich wer­den in Fami­li­en­un­ter­neh­men noch zu sel­ten die Not­wen­dig­keit und der Nut­zen eines pro­fes­sio­nel­len Such- und Aus­wahl­pro­zes­ses und eines vor­ab klar defi­nier­ten Anfor­de­rungs­pro­fils an das neue Gre­mi­en­mit­glied gese­hen. Wenn man bedenkt, dass die Bedeu­tung von unab­hän­gi­gen qua­li­fi­zier­ten Bei­rä­ten bzw. Auf­sichts­rä­ten als stra­te­gi­sche Spar­rings­part­ner eine immer brei­te­re Zustim­mung auch bei Fami­li­en­un­ter­neh­men erfährt, ist die­ses Ergeb­nis schon erstaun­lich. Man wür­de wohl kaum einen neu­en Geschäfts­füh­rer ohne ein genau­es Anfor­de­rungs­pro­fil und einen pro­fes­sio­nel­len Aus­wahl­pro­zess rekru­tie­ren. 

Beson­der­hei­ten von Fami­li­en­un­ter­neh­men

Fami­li­en­un­ter­neh­men wei­sen gegen­über Kapi­tal­markt­un­ter­neh­men eini­ge Beson­der­hei­ten auf. Die­se erge­ben sich aus mög­li­chen Gegen­sät­zen von Fami­li­en- bzw. Gesell­schaf­ter­in­ter­es­sen einer­seits und den Unter­neh­mens­in­ter­es­sen ande­rer­seits. Auch wenn es häu­fig bei der Grün­der­ge­nera­ti­on län­ge­re Zeit eine Inter­es­sens­iden­ti­tät zu geben scheint, sind bei Fami­li­en­un­ter­neh­men nicht Har­mo­nie, son­dern eher Kon­flik­te zwi­schen Fami­li­en­stäm­men, ein­zel­nen Gesell­schaf­tern und dem ope­ra­ti­ven Manage­ment die Regel. 

Bei der Beset­zung von Bei­rä­ten bzw. Auf­sichts­rä­ten in Fami­li­en­un­ter­neh­men sind die­se unter­schied­li­chen Inter­es­sens­la­gen zu berück­sich­ti­gen. Ziel­set­zung eines frei­wil­li­gen Bei­rats bzw. Auf­sichts­rats kann zum Bei­spiel die Über­wa­chung und Kon­trol­le der Geschäfts­füh­rer sein, die Nut­zung von exter­nem Know-how oder der Aus­gleich unter­schied­li­cher Gesell­schaf­ter­in­ter­es­sen. 

Gera­de bei einem kom­ple­xe­ren Gesell­schaf­ter­kreis ergibt sich die Not­wen­dig­keit der Kon­trol­le und Kom­pe­tenz­be­gren­zung des ope­ra­ti­ven Manage­ments bei bestimm­ten Geschäf­ten in Form der Zustim­mungs­pflicht durch einen von den Gesell­schaf­tern ent­spre­chend man­da­tier­ten Bei­rat bzw. Auf­sichts­rat. Die­ser hat die vor­nehm­li­che Auf­ga­be, die Ord­nungs­mä­ßig­keit der Unter­neh­mens­füh­rung sicher­zu­stel­len und damit zugleich für eine nach­hal­ti­ge Unter­neh­mens­po­li­tik zu sor­gen. Ein eher bera­ten­der Bei­rat bzw. Auf­sichts­rat unter­stützt hin­ge­gen die Geschäfts­füh­rung vor allem in stra­te­gi­schen Fra­ge­stel­lun­gen, wobei sich die Anteils­eig­ner die letzt­li­chen Ent­schei­dun­gen vor­be­hal­ten. 

Neu­tra­li­tät schafft Ver­trau­en

Bei der Beset­zung eines Bei­rats bzw. Auf­sichts­rats soll­te ein beson­de­res Augen­merk auf die Qua­li­fi­ka­ti­on und Unab­hän­gig­keit sei­ner Mit­glie­der gelegt wer­den. Es emp­fiehlt sich daher, vor allem Per­so­nen in den Bei­rat bzw. Auf­sichts­rat zu beru­fen, die über kei­ne fami­liä­ren, per­sön­li­chen oder geschäft­li­chen Bin­dun­gen zu den Gesell­schaf­tern bzw. Füh­rungs­per­sön­lich­kei­ten des Unter­neh­mens ver­fü­gen. Per­so­nen, die bereits als Bera­ter dem Unter­neh­men zur Ver­fü­gung ste­hen, sind eben­falls nur bedingt als Bei­rä­te bzw. Auf­sichts­rä­te geeig­net, da sie durch ihre ande­ren Funk­tio­nen befan­gen sein kön­nen.

Vor­be­rei­tung auf eine Man­dats­tä­tig­keit

Wer sich grund­sätz­lich für eine Tätig­keit als Bei­rat bzw. Auf­sichts­rat inter­es­siert, soll­te sich zunächst ein­mal klar­wer­den, in wel­cher Art von Unter­neh­men ein Man­dat über­nom­men wer­den soll und ggfs. auch wann. Was sind beson­de­re per­sön­li­che bzw. fach­li­che Fähig­kei­ten und Erfah­run­gen, die man in ein Auf­sichts- bzw. Bei­rats­gre­mi­um ein­brin­gen kann? Oder auf den Punkt gebracht: War­um soll­te ein Unter­neh­mer gera­de mich in sei­nen Bei­rat bzw. Auf­sichts­rat holen? Was habe ich im Ver­gleich zu ande­ren Per­so­nen Beson­de­res zu bie­ten? Ver­fü­ge ich über die not­wen­di­gen (ope­ra­ti­ven) Erfah­run­gen für ein Unter­neh­men die­ser Grö­ße und Kom­ple­xi­tät? 

Bei der Art der Unter­neh­men ist zu dif­fe­ren­zie­ren nach kapi­tal­markt­ori­en­tier­ten Unter­neh­men, für die noch zusätz­lich beson­de­re regu­la­to­ri­sche Anfor­de­run­gen gel­ten, und mit­tel­stän­di­schen Fami­li­en­un­ter­neh­men. Aber auch Port­fo­lio­un­ter­neh­men von Finanz­in­ves­to­ren ver­fü­gen in der Regel über ein Kon­troll- und Auf­sichts­gre­mi­um. Gera­de bei Fami­li­en­un­ter­neh­men ist der gegen­sei­ti­ge Respekt und das Ver­trau­en in die betref­fen­de Per­son wei­ter­hin das wich­tigs­te Aus­wahl­kri­te­ri­um für einen Bei­rat oder Auf­sichts­rat. Dies steht häu­fig noch über einer fach­spe­zi­fi­schen Qua­li­fi­ka­ti­on. Für den Vor­sit­zen­den eines Bei­rats bzw. Auf­sichts­rats sind zusätz­lich eine lang­jäh­ri­ge Füh­rungs­kom­pe­tenz, idea­ler­wei­se auch eine bereits vor­han­de­ne Man­dats­er­fah­rung und vor allem ein aus­rei­chen­des Zeit­bud­get erfor­der­lich. Aber auch für die übri­gen Gre­mi­en­mit­glie­der ist das The­ma der zeit­li­chen Ver­füg­bar­keit immer wie­der zu über­prü­fen, da eine ver­ant­wor­tungs­vol­le Man­dats­tä­tig­keit auf­grund der zuneh­men­den stra­te­gi­schen Fra­ge­stel­lun­gen mehr und mehr Zeit erfor­dert.

Für künf­ti­ge Man­da­te sicht­bar wer­den

Wie bereits erwähnt, erfolgt für die Neu­be­set­zung von Bei­rä­ten bzw. Auf­sichts­rä­ten eine Anspra­che von außen. Inso­fern gilt es zunächst ein­mal das rele­van­te Umfeld auf das eige­ne Inter­es­se und die eige­nen beson­de­ren Kennt­nis­se und Fähig­kei­ten für eine Tätig­keit als Bei­rat bzw. Auf­sichts­rat auf­merk­sam zu machen. Dazu ist es dann aber auch erfor­der­lich, die ganz per­sön­li­chen Qua­li­fi­ka­tio­nen („USP“) her­aus­zu­ar­bei­ten. Es gilt aber auch, dass die Wahr­schein­lich­keit gering ist, auf ein Man­dat von außen ange­spro­chen zu wer­den, wenn die eige­nen Talen­te bis­her von der Umwelt nicht beson­ders gewür­digt wor­den sind. Oder wie es der Cor­po­ra­te-Gover­nan­ce-Exper­te Rudolf Ruter sagt: „Vit­amin B nimmt ab und dafür nimmt Vit­amin Q (= Qua­li­fi­ka­ti­on) zu. Vie­le Unter­neh­mer haben erkannt, dass auch für ihr Unter­neh­men Vit­amin Q segens­rei­cher Ener­gie­spen­der sein kann und der Vit­amin-Haus­halt aus­ge­wo­gen sein muss. Ohne Vit­amin B ist ein Leben aber auch nicht mög­lich.“

Net­wor­king und Due Dili­gence

Gute Bei­rats- und Auf­sichts­rats­mit­glie­der drän­gen sich nicht auf, sie wol­len viel­mehr „aus­ge­wählt“ wer­den. Dafür gilt es ein umfang­rei­ches regel­mä­ßi­ges Net­wor­king zu betrei­ben. Hier­zu gehört der lau­fen­de Kon­takt zu wesent­li­chen Ver­mitt­lern und Platt­for­men für Bei­rä­te und Auf­sichts­rä­te, der Aus­tausch mit erfah­re­nen „Berufs“-Aufsichtsräten bzw. Bei­rats- bzw. Auf­sichts­rats­vor­sit­zen­den, die Mit­glied­schaft in einer oder meh­re­ren Auf­sichts­rats-Ver­ei­ni­gun­gen oder die regel­mä­ßi­ge Teil­nah­me an spe­zi­el­len Ver­an­stal­tun­gen für Bei­rä­te und Auf­sichts­rä­te bzw. für Fami­li­en­un­ter­neh­mer. 

Erfah­re­ne Bei­rä­te und Auf­sichts­rä­te bestä­ti­gen immer wie­der, dass die Erlan­gung des ers­ten Man­dats häu­fig am lang­wie­rigs­ten und schwie­rigs­ten war. Nicht jede Anspra­che auf ein Man­dat führt gleich zum Ziel. Es gibt bei der Beset­zung von Bei­rä­ten bzw. Auf­sichts­rä­ten nach einem ers­ten Gesprächs­kon­takt immer wie­der auch Absa­gen. Letzt­lich muss das Man­dat zur betref­fen­den Per­son pas­sen. 

Eine Fehl­ent­schei­dung bezüg­lich einer Man­dats­über­nah­me bleibt Teil des eige­nen Lebens­laufs. Nicht nur der Fall Wire­card zeigt, wie wich­tig vor der Über­nah­me eines neu­en Man­dats eine sorg­fäl­ti­ge Due Dili­gence ist, auch hin­sicht­lich Stil, Wer­ten und Kul­tur im Bei­rat bzw. Auf­sichts­rat. Des­halb sind im Vor­feld einer Man­dats­an­nah­me neben einer inten­si­ven Beschäf­ti­gung mit dem betref­fen­den Unter­neh­men und sei­ner Peer-Group auch ver­tie­fen­de Gesprä­che mit aktu­el­len und ggfs. auch frü­he­ren Gre­mi­en­mit­glie­dern und Per­so­nen aus der ope­ra­ti­ven Füh­rung des Unter­neh­mens wich­tig. 

Und abschlie­ßend noch ein Rat­schlag: Haben Sie Geduld bei der Man­dats­su­che!