Wie die diesjährige Aufsichtsratsstudie des Arbeitskreises Deutscher Aufsichtsrat (AdAR) und der Kanzlei Hengeler Müller zeigt, richten die Aufsichtsräte in deutschen Unternehmen ihre Arbeit wieder verstärkt auf unternehmensstrategische Themen aus.
Zwar ist auch das Geschehen in der Ukraine und dessen Auswirkungen in den Aufsichtsräten weiterhin präsent. Mindestens ebenso große Relevanz räumen die Beiräte aber wieder der Aufstellung des Unternehmens für die Zukunft ein. Über 85 Prozent der befragten Aufsichtsräte erachten Digitalisierung bzw. die digitale Transformation als zentrales Thema. Eine fast ebenso große Relevanz hat inzwischen das Themenfeld ESG und Nachhaltigkeitstransformation. Die Aufarbeitung der Folgen der Covid-19-Pandemie ist dagegen etwas in den Hintergrund gerückt, auch wenn sie sich nach wie vor u. a. auch in der Diskussion über Lieferketten niederschlägt. Nachdem sie die Aufsichtsratsagenda im vergangenen Jahr noch klar bestimmt hat, rangieren Themen der Auswirkungen der Pandemie in der Prioritätenliste der befragten Aufsichtsräte inzwischen nur noch an dritter Stelle.
Nachhaltigkeit und ESG
Die Parallelität von permanenter Krisenbewältigung, Aufbau von Resilienz und Arbeit an der Zukunft des Unternehmens wird die Diskussionen in Aufsichtsräten aber auch künftig beherrschen. So ist der Umgang mit einer Verknappung der Versorgung mit Energie und deren Auswirkungen auf Geschäftsmodelle der Unternehmen bereits in den Aufsichtsräten angekommen.
Das Gewicht des Themas Nachhaltigkeit äußert sich zunehmend auch organisatorisch in den Aufsichtsgremien und trägt insofern Forderungen nach besonderer Nachhaltigkeitsexpertise im Aufsichtsrat Rechnung. Eine knappe Mehrheit der Befragten sieht die Expertiseanforderung bei ihren Unternehmen bereits als erfüllt an, bei den börsennotierten Unternehmen sogar über 60 Prozent. Allerdings wird Nachhaltigkeitsexpertise auf ganz unterschiedliche Weise adressiert. So sehen die meisten der befragten Aufsichtsräte (76 Prozent) aktuell Weiterbildungen als Mittel der Wahl. 72 Prozent setzen auf Gremienmitglieder mit einem entsprechenden beruflichen Hintergrund, während 63 Prozent eher Berater hinzuziehen würden. Die Berücksichtigung von ESG-Themen über Nachhaltigkeitsbeauftragte oder ‑ausschüsse ist dagegen in deutschen Aufsichtsräten noch nicht die Norm. Lediglich zwölf Prozent der Befragten gaben an, eine solche Lösung in ihren Aufsichtsräten gefunden zu haben, dabei liegt der Anteil bei den börsennotierten Unternehmen mit 22 Prozent jedoch deutlich höher.
Weitere Ergebnisse:
- Die befragten Aufsichtsräte sind mit der Ressourcenausstattung für ihre Arbeit überwiegend zufrieden. Personelle Ressourcen genießen mit 75 Prozent die größten Zustimmungswerte, gefolgt von der finanziellen Ausstattung (73 Prozent).
- Bei der Abbildung rechtlich geforderter Finanzexpertise im Aufsichtsrat setzen die meisten Aufsichtsgremien auf vorhandene CFO-Erfahrung, Fortbildungen und die Tätigkeit oder einen Abschluss als Wirtschaftsprüfer.
- Neben dem Kompetenzprofil möglicher Kandidatinnen und Kandidaten spielen bei der Aufsichtsratsbesetzung aus Sicht der Befragten vor allem Persönlichkeit, Teamfähigkeit, interkulturelle Kompetenz und Internationalität eine Rolle.
- Die Vorstandsnachfolgeplanung ist bei einer deutlichen Mehrheit der befragten Aufsichtsräte relevanter Teil der Aufsichtsratsarbeit. Dabei werden in den meisten Fällen Aufsichtsratsvorsitzende, der Personalausschuss oder ein vergleichbarer Ausschuss involviert, die Personalabteilung der Unternehmen spielt hingegen eine deutlich untergeordnete Rolle.
- Der Fachkräftemangel ist inzwischen auch auf Ebene der Führungskräfte angekommen. Sieben von zehn befragten Aufsichtsräten konstatieren einen Mangel an geeigneten Kandidatinnen und Kandidaten oder bezeichnen die Größe des Nachfolgepools als wesentliche Herausforderung für die Nachfolgeplanung.
Die vollständige Studie kann hier abgerufen werden.