Wenn man sich die aktuelle Zusammensetzung der Aufsichtsräte in den DAX40-Unternehmen anschaut, so fällt auf, dass in jüngster Zeit eine neue Generation in die Gremien einzieht. Viele von ihnen haben einen internationalen Hintergrund, bringen Expertise in Themen wie Technologie, Digitalisierung oder Nachhaltigkeit ein und erfüllen das Kriterium der Unabhängigkeit. Und es setzt sich mehr und mehr die Erkenntnis durch, dass kürzere Mandatslaufzeiten als die nach Aktiengesetz möglichen maximal fünf Jahre offensichtlich Vorteile haben, und auch akzeptiert werden.
Wir erleben derzeit ein Zusammentreffen von regulatorischen Veränderungen, geopolitischen Herausforderungen und ökonomischen Ungewissheiten. Zugleich wird bei diesen Zukunftsthemen der Druck auf Vorstände und Aufsichtsräte seitens wichtiger bzw. institutioneller Aktionäre zunehmend größer. Die Unternehmen erleben zugleich eine durchgreifende Veränderung der Aufsichts- und Führungskultur, die eine Grundvoraussetzung für ihre Zukunftsfähigkeit ist.
Schnelle Anpassung
Immer entscheidender wird deshalb die Personalkompetenz des Aufsichtsrats, denn dieser hat die Verantwortung für die Bestellung bzw. Abberufung der Vorstandsmitglieder. Die Anforderungen an eine professionelle Arbeit des Aufsichtsrats sind in jüngster Zeit beträchtlich gestiegen und erfordern auch einen zunehmenden Zeiteinsatz. So ist es nicht verwunderlich, dass das Kriterium eines möglichen Overboarding, d. h. einer zu großen Mandatsanzahl bei einzelnen Personen, bei der Auswahl der Aufsichtsräte mehr und mehr Beachtung findet. Dabei sind institutionelle Aktionäre bzw. ihre Stimmrechtsberater schon jetzt deutlich restriktiver als das deutsche Aktiengesetz, das immer noch an der Höchstzahl von zehn Mandaten festhält, wobei Aufsichtsratsvorsitze doppelt angerechnet werden. Es wäre wünschenswert, wenn der Gesetzgeber sich dieser Thematik annimmt und eine Regelung anpasst, die zuletzt durch die sog. Lex Abs im Jahr 1965, d.h. vor fast 60 Jahren (!) festgeschrieben worden ist.
Aufsichtsräte müssen sich mit immer schnelleren und umfassenderen Veränderungen im Unternehmen und Unternehmensumfeld befassen und auf diese vorausschauend reagieren. Dies kann bedeuten, auch die Zusammensetzung der Aufsichtsräte in kürzeren Intervallen zu überprüfen und ggfs. auch zu verändern. Mandatslaufzeiten von fünf Jahren behindern solche zeitnahen Anpassungen. Daher setzt sich mehr und mehr die Erkenntnis durch, dass kürzere Mandatslaufzeiten ein wichtiger Hebel für die Verbesserung bzw. schnellere Anpassung der Aufsichtsratsarbeit an neue Gegebenheiten sind. Diese Erkenntnis ist insofern bemerkenswert, als die Regierungskommission Deutscher Corporate Governance Kodex noch im Jahr 2019 bei ihren damaligen Reformvorschlägen an diesem Punkt aufgrund massiver Einwände gerade von Vertretern der alten Deutschland AG zurückrudern musste.
Hart umkämpfter Markt
Diese strukturellen Veränderungen bei der Zusammensetzung von Aufsichtsgremien sollten aber auch nicht-börsennotierte Familienunternehmen beachten und für sich adaptieren. Ob ein Aufsichtsrat bzw. Beirat einen echten Mehrwert für die Zukunftsfähigkeit eines Familienunternehmens liefert, liegt vor allem an den Expertisen, die in dem Gremium vertreten sind. Es ist nicht trivial, kompetente und erfahrene Mitglieder für den Aufsichtsrat bzw. Beirat zu finden, die einem vorab sorgfältig zusammengestellten Anforderungsprofil entsprechen und die willens und in der Lage sind, die notwendige Zeit und inhaltliche Unterstützung zu geben. Sie sind nämlich eher selten im eigenen Umfeld von Freunden- oder Geschäftspartnern zu finden, zumal dann Interessens- bzw. Rollenkonflikte niemals ganz ausgeschlossen werden können. Der Markt für gute Aufsichtsräte bzw. Beiräte ist auch für Familienunternehmen hart umkämpft. Insofern können auf die Vermittlung von Aufsichtsräten und Beiräten spezialisierte Berater den Kreis potentieller Kandidaten deutlich erweitern und zu einem professionelleren Auswahlprozess beitragen.