Unternehmen, Unternehmensführung und deren Aufsichts- und Beiratsgremien mussten sich schon immer neuen Herausforderungen stellen. Die aktuell herrschende Gleichzeitigkeit extrem fordernder Themen stellt jedoch eine ganz besonders ausgeprägte Häufung dar: geopolitische Krisen und deren Auswirkungen auf Märkte und Lieferketten, rasante Fortschritte bei der Anwendung künstlicher Intelligenz, explodierender Fachkräftemangel und durch die Energietransition verursachte Umbrüche. Diese ‚Polykrisen‘ erfordern auch eine Veränderung in der Zusammenarbeit zwischen Vorstand/Geschäftsführung und Aufsichtsrat/Beirat. Für letztere bedeutet das erheblich gesteigerte Anforderungen an die Qualifikation und eine intensivere Art der Zusammenarbeit.
Folgende Trends lassen sich bei Aufsichtsräten und Beiräten ausmachen:
- zunehmende Diversität, nicht nur beschränkt auf das Geschlecht
- Verjüngung und Begrenzung der Wiederbestellungen
- Fokus auf digitale Transformation und Cyber Security
- Internationalisierung
- Professionalisierung / Zertifizierung
- Nachhaltigkeit und ESG sind Pflichtprogramm, nicht mehr nur Kür
- Intensität und Zeitaufwand der Gremienarbeit steigen
Noch fehlt dazu in vielen Kontrollgremien das spezifische Fachwissen, aber das ändert sich. Zunehmend finden sich dort Expertinnen und Experten für Nachhaltigkeit, Cyber Security und die digitale Transformation. Inhaltlich treten zusätzlich Supply Chain Management und Künstliche Intelligenz in den Vordergrund. Vertiefte Finanzkenntnisse, M&A‑Erfahrung und ein exzellentes Netzwerk gehören inzwischen selbstverständlich zu den Grundbefähigungen von Aufsichtsräten und Beiräten.
Diverser und professioneller
Es ist zu beobachten, dass in den führenden Volkwirtschaften Europas aktuell bereits nahezu 50 Prozent der Neubesetzungen mit Frauen erfolgen, 2021 waren es noch 44 Prozent. Dabei geht es jenseits der Erhöhung des Frauen-Anteils auch um andere demografische Gruppen, um Internationalität und weitere Aspekte, die zu einer breiten Aufstellung eines Aufsichtsrats oder Beirats führen. Zusätzlich trägt auch ein ausgewogener Altersmix zur Diversität bei.
Da die Anforderungen an die Gremienarbeit signifikant steigen, müssen die Aufsichtsrats- und Beiratsmitglieder zunehmend über relevantes Fachwissen verfügen. Zudem wächst der zeitliche Aufwand: War man bislang pro Mandat oft nur für drei oder vier Aufsichtsratssitzungen jährlich im Einsatz, steigt einerseits der Vor- und Nachbereitungsaufwand ganz deutlich – und andererseits insbesondere in Krisensituationen – auch die Anzahl der Meetings.
In der Folge steigt natürlich die Gefahr des ‚overboardings‘, also der Übernahme von zu vielen Mandaten, insbesondere wenn das Aufsichtsratsmandat neben einer vollen operativen Verantwortung als Vorstand oder Geschäftsführer wahrgenommen wird. Es ist davon auszugehen, dass in naher Zukunft entsprechende Zertifikate und Weiterbildungen für Aufsichtsräte und Beiräte verpflichtend sind. Insgesamt wird damit auch der Besetzungsprozess immer komplexer und anspruchsvoller.